Galerie Esplanade
Verfasser: Zos De Witt
Nachdem ich von Lubica Breitfuss um einen einführenden Text zu ihrer künstlerischen Arbeit gebeten worden war, war mir bald klar, dass ich das Phänomen Lubi nicht vom akademischen Standpunkt eines Kunsthistorikers, Kulturbeamten oder anderen wortreichen Kunstsachverständigen angehen konnte, sondern dass ich mir als Freund und Kollege ihrer Arbeit nur auf einer persönlichen Ebene annähern konnte, dafür zumindest von meiner Seite aus die einem anderen Zugang ihrer Arbeit und Person nicht gerecht werden würde.
Ich habe Lubi im Sommer 2004 kennen und schätzen gelernt, als ich an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst als Assistent in der Klasse Malerei der Zhou Brothers tätig war. Lubi war Studentin in der Klasse und hob sich nicht nur durch ihr äusseres Erscheinungsbild und ihr extrovertiertes Wesen, sondern auch durch ihre Arbeitsweise und Malerei stark von der Masse der rund fünfzig anderen StudentInnen ab, die zum überwiegenden Teil selbst sehr begabte und geschulte KünstlerInnen waren.
Während jedoch die anderen ihre Keilrahmen aufstellten und in meditativer Konzentration an ihren Bildwerken zu arbeiten begannen, breitete Lubi an die vier Quadratmeter grofle Leinenflächen am Boden aus und begann mit Pinsel und Farbtuben wie ein Derwisch über die weifle Fläche zu wirbeln und sie nach und nach in einem wilden Rhythmus von hastigen Pinselstrichen zu bedecken, bis sie selbst oft völlig außer Atem war oder die Klasse bereits am Nachmittag aufgrund von völiger Erschöpfung verlassen musste. Tatsächlich war allein die Geschwindigkeit ihrer Malweise bemerkenswert, was mir vor allem beim Schneiden der Videodokumentation auffiel, die ich über die dreiwöchige Arbeit der Klasse gedreht hatte: Die Aufnahmen von Lubi passten kaum in den Rhythmus des Films, da ihre Malbewegungen um ein Vielfaches schneller als die der anderen Künstler abliefen, und obwohl ich jede Menge Filmmaterial von ihr gesammelt hatte, hatte ich Mühe eine kurze Szene zu finden, die allein aus diesem Gestaltungsgrund in den Film integrierbar war.
Dennoch brauchte Lubi keine Hilfestellung und keine künstlerische Belehrung im eigentlichen Sinn, sondern man musste ihr lediglich in gewissen Fällen sagen, dass das Bild fertig war - doch auch dies wusste sie im Grunde selbst, da sie immer genau an jenem Punkt fragte, ob sie noch etwas hinzufügen solle, an dem kein einziger Pinselstrich mehr notwendig war. Die versierten Zhou Brothers schienen dies wohl ähnlich zu sehen, denn während sie mit anderen Studenten oft mehrmals täglich lange Gespräche führten, in denen sie ihnen die Quintessenz der Malerei zu vermitteln versuchten, blieben sie bei Lubi kaum stehen, und ich hörte sie selten mehr zu ihr sagen als ein kurzes Good work oder Just make more in the same way. War Lubi jedoch nicht in der Klasse, dann ging Shan Zuo sehr oft mit anderen Studenten an ihren Arbeitsplatz und zeigte ihnen anhand ihrer Gemälde, wie unterschiedliche Bildelemente durch eine bestimmte Art der Linienführung verbunden werden können und so die gesamte Komposition auf mehreren Ebenen zusammenhalten.